Jesus. Eine Weltgeschichte
Artikel-Nr | 204188000 |
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ISBN | 978-3-03848-188-1 |
Verlag | Fontis |
Seiten | 1004 |
Erschienen | 11.09.2020 |
Artikelart | Hardcover, 15,5 x 23 x 4,8 cm |
Er kam, sah und liebte.
Das Leben und Wirken des Messias als Weltgeschichte.
Sieben Jahre hat Markus Spieker an diesem monumentalen Jesus-Buch gearbeitet. Nun legt er eine Christus-Biografie vor, wie es noch keine gab. Über 1000 Seiten erzählen die Geschichte von Jesus als welthistorisches Epos: von den Anfängen der Zivilisation bis hin zur Corona-Krise. Den Schwerpunkt der Darstellung bildet das Leben des Messias bis zur Passion und Auferstehung sowie die Ausbreitung des Evangeliums im 1. Jahrhundert. Markus Spieker berücksichtigt nicht nur die aktuellste Fachliteratur, er bettet die Ereignisse in Judäa und Galiläa auch ein in ihren antiken Kontext von Ägypten bis Persien, von den germanischen Wäldern bis zum arabischen Meer. Dabei wirft er ein ganz neues Licht auf viele biblische Berichte. Einen breiten Raum nimmt der historische Vorlauf ein. Spieker spannt den Bogen von Gilgamesch bis zu Cicero, von Abraham bis zu den Makkabäern.
Schließlich wird detailliert beschrieben, welche Auswirkungen das Leben von Jesus auf die Weltgeschichte hatte, auf die sozialen Verhältnisse, auf Kunst und Wissenschaft. Es werden aber auch die Gegenkräfte geschildert: von der Verfolgung durch Nero, über das Aufkommen des Islam und die Selbstzerfleischung in den Konfessionskriegen bis hin zur schleichenden Entchristlichung des Abendlandes im 21. Jahrhundert. Am Ende aber überwiegt das Staunen über Jesus, sein Erlösungswerk und sein Vermächtnis. Ein Buch, um den Schatz des christlichen Glaubens wieder neu zu entdecken.
Autor: | Markus Spieker |
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19.02.21 15:25 | Jochen Klein
Interessant, aber nicht unproblematisch
So manche weltanschaulich bedingte Theorie gilt heute in der Öffentlichkeit nahezu als Fakt – z.B. dass die Bibeltexte über weite Strecken keine verlässlichen Informationen enthielten, dass die Auferstehung Jesu nicht stattgefunden habe, dass das Mittelalter dunkel gewesen sei, dass der Epoche der Aufklärung viele positive Aspekte der Moderne zu verdanken seien, dass die Französische Revolution Wesentliches zur Demokratisierung beigetragen habe und dass wir der 1968er-Studentenbewegung entscheidende positive gesellschaftliche Impulse zu verdanken hätten. So wird es auch in Schulbüchern in der Regel gelehrt. Dass etliches davon nicht zutrifft oder es gute Gründe gibt, anders darüber zu denken, machen einige christliche Publikationen besonders der letzten Zeit deutlich. – Warum aber sind diese und verwandte Themen überhaupt relevant?
Zugegeben: Unterschiedliche Sichtweisen über den Einfluss historischer Ereignisse müssen nicht zwangsläufig gravierende Folgen haben. Wenn es aber z.B. um Tod und Auferstehung Jesu geht, ist das anders. Und wenn wir im Sinne mancher Philosophen agieren – ob aus früheren Zeiten oder von heute –, die den menschlichen Verstand zum absoluten Maßstab erheben oder objektivierbare Erkenntnis generell leugnen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn sich im Zuge dessen die Ethik der Menschen und auch die Gesellschaft negativ verändern. Wenn dann auch Theo-logen zentrale biblische Inhalte nicht mehr für wahr halten, da sie z.B. Übernatürliches vollständig rational erklärbar machen wollen, rührt das an dem Kern der biblischen Botschaft. Oder wenn wir dem Relativismus oder Individualismus des post-modernen Denkens verfallen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die gesellschaftlichen Maßstäbe zunehmend erodieren und das Miteinander immer mehr zum Gegeneinander wird.
Um diese Entwicklungen und den Unterschied zwischen heidnisch-weltlichem und biblisch-christlichem Denken seit der Antike klarer zu verstehen, lohnt sich die Lektüre dieser „Weltgeschichte“ – ist doch, so der Autor, das christliche Abendland „von kultureller Amnesie und Identitätsverlust bedroht“. Seine Absicht und Vorgehensweise formuliert er selbst wie folgt: das Leben Jesu in die Weltgeschichte einbetten. „Ich zoome langsam auf Jesus, den Mittelpunkt und Knotenpunkt allen Seins, verweile einige Kapitel bei ihm, um dann die Perspektive wieder zu öffnen für das, was Jesus in die Welt gebracht hat.“ Wichtig sei das auch deshalb, weil „die Geschichte des Christentums in den letzten Jahrhunderten von vermeintlichen Frei-geistern geradezu schlechtgeredet, kriminalisiert oder teilweise verschwiegen“ wurde, so Spieker.
Es gibt aber noch mehr Gründe, diese (ohne Literaturverzeichnis) 967 Seiten zu lesen: Man erfährt viele geschichtliche Hintergründe zu biblischen (und auch gesellschaftlichen) Zusammenhängen von der Antike bis zur Gegenwart, wodurch diese klarer und verständlicher werden. Dass Spieker dies als Historiker qualifiziert tut, steht außer Frage. Manchmal ist die historische Perspektive aber etwas zu viel des Guten, wenn die Formulierungen deutlich machen, dass biblischen Sachverhalten deshalb vertraut werden kann, weil säkulare Quellen oder die Mehrheit der Theologen diese stützen (z.B. sei völlig unzweifelhaft, dass Jesus von Pontius Pilatus zum Kreuzestod verurteilt wurde, weil hier biblische und nichtbiblische Quellen über-einstimmten). Hierhin gehören auch öfter vorkommende Formulierungen wie z.B. dass der Exodus unter Theologen und Althistorikern umstritten sei (was in der Bibel wird von kritischen „Wissenschaftlern“ und „Theologen“ nicht angezweifelt?), und auch zweifelnde Formulierungen wie z.B. Abraham soll nach Moria gezogen sein, der Psalm werde David zugeschrieben oder Paulus zufolge.
Über weite Strecken findet man eine treffende Nacherzählung und Verdichtung biblischer Begebenheiten, gute bis sehr gute gedankliche Verknüpfungen und auch ein gelungenes Wiederaufgreifen von Themen, ferner viele überzeugende Zeit- und Gesellschaftsdiagnosen sowie, manchmal von Personen ausgehend, anregende theoretische Reflexionen, wobei dem Autor hier sicher seine Journalistentätigkeit zugutekommt.
Spieker gelingt es, die Inhalte in einem gut verständlichen Stil zu vermitteln. Negativ fallen aber einige salopp-umgangssprachliche Formulierungen auf. So sollen z.B. seriöse, gestandene Persönlichkeiten „Jesus-Fans“ gewesen sein oder Petrus ein „früherer Dampfplauderer“. Anderes ist nicht nur zu salopp ausgedrückt, sondern geradezu unangemessen dargestellt, z.B. dass sich in den Psalmen „Jubelarien mit Frustattacken“ abwechseln – „Du bist so toll“ mit „Wir müssen reden“, wie Spieker es ausdrückt. Marias Gotteslob, als sie bei Elisabeth war, wird als „zugleich Loblied und Protestsong“ bezeichnet, und als der Herr Jesus Jünger suchte, wird das „Team-building“ genannt. Ob die Bibel „gegen einen Schwips in harten Zeiten“ nichts ein-zuwenden habe und „geradezu dezentes und dosiertes Frusttrinken“ empfehle, darf bezweifelt werden, ebenso dass Jesus im Zusammenhang mit der Hochzeit zu Kana „Feierkompetenz“ bewiesen habe, dass Gott mit Abraham ein unauflösliches Freundschaftsverhältnis eingegangen sei und ihn damit zum Partner befördert habe oder dass David ein „Emporkömmling mit Playboy-Attitüde“ gewesen sei.
Das ansonsten sehr gute Erzählen Spiekers ist leider mit der Schwäche verbunden, dass er manchmal etwas ins spekulative Fabulieren gerät (z.B. bei der Ausgestaltung der Szene bei der Geburtstagsfeier des Herodes, als Johannes der Täufer getötet wird), auch wo die Fakten seine Deutung nicht unbedingt nahelegen (müssen) oder sogar kaum zulassen. In der Mehrzahl der Fälle macht er dies aber durch entsprechende Formulierungen deutlich. Auch bei der einen oder anderen klaren Aussage kommt man ins Stutzen; oft erlebt man jedoch, dass der Aspekt einige hundert Seiten später zufriedenstellend biblisch erklärt wird. So liest man, dass Buddha von einem erleuchteten Menschen zu einer Gottheit geworden sei, die Gebete erhöre; erst später wird deutlich, wie der Autor dies bewertet.
Erfreulich ist weiterhin, dass wir auch unter Künstlern manche Christen kennenlernen, deren Christsein in säkularen Publikationen gerne verschwiegen wird. Ebenso lernen wir Glaubensvorbilder kennen, die bis zum Ende treu waren, so auch manche Märtyrer. Ob allerdings alle, die nominell als Christen bezeichnet werden, tatsächlich solche waren, bleibt dahingestellt. Eine gewisse Pauschalisierungsproblematik zeigt sich auch, wenn Menschen in vom Evangelium geprägten Gegenden als von Gott geschaffene, geliebte und gerettete Mitglieder einer Familie angesehen und somit anders behandelt werden oder wenn die Rede davon ist, dass sich in einem anderen größeren Kontext alle „offen zum Christentum bekannten“.
Ein Grundproblem ist öfter die zu horizontale Argumentationsweise, z.B. wenn die göttlichen Attribute des Herrn Jesus vernachlässigt werden und er zu sehr auf das Menschsein reduziert wird oder wenn der Aspekt der Pläne oder der Souveränität Gottes nahezu unbeachtet bleibt: „Aus dem Exil zurückgekehrte Israeliten wollten einen frischen Neustart“. Oder: Jesus habe in Jerusalem die Chance genutzt, sein theologisches Wissen zu erweitern. Er „weiß damals ganz offensichtlich bereits von seiner übernatürlichen Herkunft“, „kommt ohne herkulische Wunderkräfte zur Welt, hat in seinem Gehirn keine eingebaute Festplatte, auf der das gesamte Weltwissen abrufbar gespeichert ist“. Auch in anderen Bereichen wird Jesus sehr menschlich und wenig göttlich dargestellt, so beispielsweise wenn der Autor fragt, ob er bei der Berufung des Jüngers Judas den Verrat schon geahnt habe oder ob er von Judas’ Entwicklung überrascht gewesen sei.
Einige weitere problematische Punkte:
• Die Aussage, dass es im Alten Testament nicht um das persönliche Seelenheil gehe.
• Die Relativierung der Inspiration und des damit zusammenhängenden An-spruchs an die Bibel.
• Die anthropologische Klugheit der Bibel zeige sich darin, dass sie die Welt er-zähle und nicht analysiere.
• Der biblische Schöpfungsbericht wird in erster Linie als Erzählung gesehen, und es wird Philo zitiert, nach dem der Schöpfungsbericht bildlich zu interpretieren sei.
• Sehr starker Schwerpunkt auf Liebe („Kurzzusammenfassung des Evangeliums ‚Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe‘“), auch mit Belegstellen, die sich nur auf Christen beziehen. Damit einhergehend wird die biblische Botschaft vom Gericht unangemessen verkompliziert (z.B. seien die Aussagen Jesu zu den letzten Dingen – zum „Jüngsten Gericht“, Himmel und Hölle – nicht ganz einfach zu verstehen). Ein angebliches „Happy End“ als eigentliche Pointe des Buches der Offenbarung greift zu kurz, da dies eben nicht für alle gilt.
• Die Gemeinde sei auf Petrus gebaut.
• Die Ereignisse in Matthäus 24 werden auf die Zerstörung Jerusalems bezogen (der Text redet jedoch von der „Vollendung des Zeitalters“).
• Die Offenbarung sei nicht vom Apostel Johannes geschrieben und der 2. Petrusbrief von einem Petrusschüler. Auch hätte Petrus das Markusevangelium selbst verfasst, wenn es ihm nicht an griechischer Schriftkompetenz gemangelt hätte.
• Jesus denke nicht daran, uns über die künftigen Abläufe zu informieren (vgl. aber Offenbarung 1,1).
• Wenn Spieker über die Rolle von Frauen schreibt, werden die positiven Aspekte des Christentums in vielfältiger Hinsicht gut betont. Manches wirkt aber etwas zu dick aufgetragen, und klar formulierte biblische Anweisungen werden zu sehr als zeitbedingt relativiert.
• Nie hätten unsere Vorfahren ausgelassener gefeiert als bei der Eröffnung eines Gotteshauses.
• Ob die Unmoral in Rom so detailliert und in epischer Breite ausgeführt werden muss, ist fraglich.
Fazit: In vielen Bereichen ist das Buch sehr hilfreich, jedoch bleibt bei Berücksichtigung der Kritikpunkte ein zwiespältiger Eindruck zurück. Auf jeden Fall sollte der Leser an biblischen und geschichtlichen Zusammenhängen interessiert sein und auch ein gewisses Basiswissen mitbringen, sonst könnten die sehr interessanten Hintergründe (auch zu den einzelnen Personen) schwer einzuordnen sein. Menschen, die kaum über die Botschaft der Bibel Bescheid wissen, aber so manches Vorurteil haben (besonders: klugen Skeptikern), wird die Lektüre Vorbehalte nehmen (können), ein gewisses Maß an geistesgeschichtlichem Interesse sollte aber vorhanden sein. Dem bibelfesten Gläubigen wird das Buch ebenfalls nützen können und hoffentlich nicht schaden, wenn er in der Lage ist, die zum Teil (fundamentalen) problematischen Aspekte angemessen einzuordnen. Wird doch der Würde (des Wortes) Gottes und der Ehre des Herrn Jesus Christus zu wenig Rechnung getragen.
03.11.20 12:15 | Wolfgang Bühne
Markus Spieker erzählt die Geschichte von Jesus Christus spannend und mit großer Leidenschaft
Der bekannte Journalist, Reporter und Historiker erzählt die Geschichte von Jesus Christus spannend und mit großer Leidenschaft. Er beginnt mit den Anfängen der Zivilisation und endet bei der gegenwärtigen Corona-Krise, wobei den Schwerpunkt das Leben des Messias bis zur Kreuzigung und Auferstehung bildet. Sieben Jahre hat er an diesem Buch gearbeitet und recherchiert, tausende Bücher dazu gelesen, um detailliert deutlich zu machen, dass Jesus Christus, der Sohn Gottes, die wichtigste und spannendste Persönlichkeit aller Zeiten ist, und wie das Evangelium Einfluss auf die Weltgeschichte, die sozialen Verhältnisse, auf Kunst und Wissenschaft hatte. Anfangend von Kaiser Nero bis zur schleichenden Entchristlichung des Abendlandes im 21. Jahrhundert.
Das Buch ist leicht verständlich, packend und kurzweilig geschrieben. Die vielen Hintergrundinformationen über die politischen und kulturellen Umstände sind äußerst interessant zu lesen, besonders, wenn es um die Zeit Jesu, der Reformation und die folgenden Jahrhunderte geht.
Da es dem Autor ein brennendes Anliegen ist, bei säkularen Lesern Interesse für und Liebe zu Jesus Christus und zur Glaubwürdigkeit der Bibel zu wecken, erwähnt er gelegentlich Personen und Autoren, die man kritischer sehen kann. Wer als Theologe eifrig sucht, wird in den 1004 Seiten auch weitere „Schnecken im Salat“ entdecken, die zum kritischen Lesen motivieren.
Zielgruppe: Ein interessiertes Nicht-Fachpublikum, Skeptiker, die aufgeschlossen sind für die schönste und wichtigste Wahrheit aller Zeiten.
Ein wertvolles Geschenk, das auch durch die leichte Lesbarkeit und faszinierende Sprache Neugierde und Vertrauen zur Zuverlässigkeit der Bibel und zu Jesus Christus wecken möchte.
27.10.20 07:55 | Marcel H.
Ein historisches Opus magnum mit theologischen Unschärfen und ausbaufähiger Schrifthaltung
Markus Spiekers Buch ist ein Opus magnum! Ich bin nun durch die 1000 Seiten durch und verneige mich vor solch einer Leistung.
Der Autor erzählt nicht nur die wichtigsten Handlungsstränge der biblischen Heilsgeschichte vollständig nach, sondern beleuchtet auch das historische Umfeld jeder dieser Epochen. Dabei zieht er respekteinflößend viele außerbiblische Quellen und auch die apokryphen Schriften heran, ohne den qualitativen Unterschied zu den kanonischen Schriften zu verwischen.
Die große Gelehrsamkeit von Spieker könnten den Eindruck erwecken, dass er sich auf eine religionssoziologische Perspektive eingelassen und vergleichende religionswissenschaftliche Betrachtungen angestellt habe, was sich angesichts des Wahrheitsanspruchs des Christentums verbietet. Aber an mehr als einer Stelle macht der Autor klar, dass Ähnlichkeiten biblischer Berichte zu Vorstellungen in der Mythologie keineswegs Abhängigkeit bedeuten und nicht gegen den Wahrheitsgehalt der Bibel sprechen. Zwar beschreibt Spieker die Gottessuche eines Sokrates‘, Buddhas oder des Pharaos Echnaton als Suchbewegungen, die auf den „Nullpunkt“ der Geschichte, die Geburt Jesu Christi, hinauslaufen, ohne diese und andere Gottessucher – wie das aus katholischer Feder üblich ist – zu sehr als Wegbereiter Jesu und im Rahmen einer heilsgeschichtlichen „Pädagogik Gottes“ zu deuten.
Das Buch endet nicht bei der Geschichte, die uns in der Bibel begegnet, sondern Spieker setzt sein Buch fort und skizziert die Wirkungsgeschichte des christlichen Glaubens vom ersten Jahrhundert bis in unsere Gegenwart; das Buch ist daher zugleich eine konzise Kirchengeschichte.
Meine intuitive Befürchtung beim Lesen des Untertitels „Weltgeschichte“ war, dass man sich an einem solchen Thema und Projekt nur verheben kann. Nach der Lektüre der 1000 Seiten muss ich gestehen, dass das nicht passiert ist. Spieker ist dem Vorhaben gewachsen gewesen. Natürlich, bei einer solchen geradezu enzyklopädischen Aufgabe kann man nicht bei jedem Thema auf der Höhe der (geschichts)wissenschaftlichen Forschung sein, und so enthält das Buch das ein oder andere längst überholte Klischee (Karl Martell als Retter des Abendlandes z. B.). Aber der flüssige Schreibstil und die auch unter didaktischen Gesichtspunkten sehr eingängige Gliederung des Stoffs machen diesen Mangel mehr als wett.
Bei einem so umfangreichen Buch, das – dieser Eindruck drängst sich irgendwann auf – v. a. der eigenen Wissens- und Weltaneignung dient –, kann nicht jedes Kapitel auch Originelles enthalten. Aber das Buch ist keine reine Fleißarbeit. Spieker fasst auch immer wieder originelle Gedanken. Vor allem zum Thema „Macht und ihre speziellen Versuchungen“ finden sich über das ganze Buch verstreut immer wieder sehr originelle Einsichten. Auch für die Geschichte der Caritas hat Spieker eine sehr schöne Auswahl an wenig bekannten Personen getroffen. Ebenso sind seine Ausführungen zum Selbstbetrug der Askese mehr als treffend: Askese verlagert den Ehrgeiz eigentlich nur, der Asket projiziert und kompensiert. Überraschungen gibt es auf den 1000 Seiten immer wieder. Mir jedenfalls war bislang nicht bekannt, dass sich der gottloses Friedrich der Große und der fromme Bach begegnet sind. Bach improvisierte in Potsdam zu einer Melodie Friedrichs des Großen und baute das später aus und versah das Werk mit dem Untertitel „Suchet, so werdet ihr finden“. Genauso interessant für mich war die Information, dass der Vater Friedrichs des Großen August Hermann Francke für einige Zeit als Sonderberater engagierte und sich die Kinder über dessen finstere Stimmung beschwerten. Am meisten aber hat mich das kenntnisreiche und überaus bedrückende Sittengemälde der römisch-antiken Gesellschaft z. Z. von Jesu Geburt berührt (vgl. S. 150-196). „Das Licht scheint in der Finsternis“ (Joh 1, 5) bekommt hier eine ganz neue Dringlichkeit.
Angesichts eines solch gigantischen Werkes steht jede Kritik im Verdacht, kleinlich oder missgünstig zu sein. Darum vorab noch einmal: Ich halte das Buch für einen Geniestreich, und ich habe keine Ahnung, wie man so etwas nebenberuflich hinbekommen kann!
Kritik ist immer eine Frage des Standpunktes. Für den glaubensfernen oder skeptischen Leser hat Spieker nicht zuletzt eine Jesus-Biografie geschrieben, die ihresgleichen sucht. Sie besticht dadurch, dass sie von der historischen Glaubwürdigkeit der Evangelien ausgeht und die die einzelnen Berichte über Jesu Leben möglichst widerspruchsfrei anordnet. Mit Verve und sehr guten Argumenten tritt Spieker zudem dem wunderkritischen Paradigma der modernen Theologie entgegen und führt aus, wie essenziell das Festhalten etwa am Wunder der Jungfrauengeburt und dem der leiblichen Auferstehung für den christlichen Glauben ist. Mit großer Sorgfalt spürt er den vielen Christusverheißungen des AT nach. Auch lässt Spieker zur Frage nach einer biblisch fundierten Sühnetheologie ausführlich Anselm von Canterbury zu Wort kommen. Er ergänzt diesen Ansatz, relativiert den Satisfaktionsgedanken aber nicht, wie es heute bis in evangelikale Kreise hinein üblich geworden. Was Spieker an Deutlichkeit zu bestimmten Themen, etwa zu einer fundierten Kreuzestheologie, vermissen lässt, wird spätestens in Kapitel X. kompensiert, wenn er so profilierte Glaubenszeugen wie Johann Sebastian Bach, Matthias Claudius, Michail Michailowitsch Dostojewski oder Alfred Döblin zu Wort kommen lässt.
Kirchengeschichte tut mit Sicherheit gerade in der „Brüderbewegung“ not! Der Mangel an kirchengeschichtlicher Tiefenschärfe in Bezug auf viele Themen und Bibelstellen macht mir schon lange Not und zeitigt zuweilen gefährliche Folgen. Allerdings beobachte ich, wie Spiekers Buch von einflussreichen Verlegern aus der „Brüderbewegung“ überschwänglich gelobt wird. Das verwundert mich offen gestanden, auch wenn entweder verwandtschaftliche Bande oder auch Verkaufsinteressen den Überschwang erklären dürften. Man muss vorsichtig sein, Spieker sein Schriftverständnis u. a. theologische Ungereimtheiten vorzuwerfen. Für jemand, der, wie in dem Buch zu lesen ist, aus einem evangelischen Pfarrerhaus stammt, ist das Schriftverständnis nicht verwunderlich, und vermutlich hat Spieker da schon einen längeren Weg hinter sich in die richtige Richtung. Vertreter der „Brüderbewegung“ hingegen, die das Buch empfehlen, ohne auf Spiekers unzulängliche Lehre von der Heiligen Schrift u. a. Aspekte hinzuweisen, machen sich schuldig und müssen sich nicht wundern, wenn ihre Gemeinden immer mehr den Markenkern verlieren und sich irgendwann im evangelikalen Mainstream auflösen.
Bereits lange vor Kapitel XI., wo es explizit um die Lehre von der Heiligen Schrift geht, merkt der kritische Leser, dass etwas mit Spiekers Schrifthaltung nicht stimmt. So spricht Spieker an verschiedenen Stellen vom „Christus-Hymnus“, was erahnen lässt, dass er zumindest formkritisch ist.
Bei Formkritik bleibt es aber nicht. So argumentiert Spieker, Römer 13 sei der Tatsache geschuldet, dass Nero sich zu dieser Zeit noch als freundlicher neuer Kaiser präsentiert habe und Paulus noch nicht ahnen konnte, zu welchen Gräueltaten dieser Herrscher einige Zeit später fähig sein würde.
Dass Spieker sehr konsequent Jesus als Menschen beschreibt, der als Kind gerade kein Herakles war, sondern Mensch nach Geist, Seele und Leib, ist verdienstvoll und wirkt den doketischen Tendenzen mancher Christen auch in der Gegenwart entgegen. Zuweilen aber vermisse ich ein Bekenntnis zu den göttlichen Attributen Jesu. Unter der Prämisse, dass Jesus allwissend war, machen die Argumente, die Spieker für die Datierung der Evangelien im Zusammenhang mit der Zerstörung Jerusalems anführt, keinen Sinn (vgl. S. 572). Auffälliger noch ist, wenn Spieker schreibt, Jesus habe an keiner Stelle von sich behauptet, er sei der Sohn Gottes und diesen Gedanken hätte die Jünger erst später formuliert. Mir ist bewusst, dass die Erkenntnis der Jünger durchaus wachstümlich war und sich das auch in den Evangelien zeigt. Allerdings würde ich jede Formulierung vermeiden, die Anlass zu dem Gedanken geben könnte, dass Jesus Sohn Gottes ist, sei einer „nachösterlichen“ Redaktion zuzuschreiben.
Stutzig macht auch folgende Formulierung: „Irreführend ist die Übersetzung ,Gebot’ oder gar ,Gesetz’. ... Die Tora lehrt Lebensweisheit. Sie ist keine Auflage, sie ist ein Geschenk, ein ,Licht auf dem Weg’, wie es im Psalm 119 heißt. Am Sinai wird deshalb keine Gesetzesreligion installiert und keine Werkgerechtigkeit begründet. ... Es geht nicht ... um privates Seelenheil.“ (S. 88 f.).
Diese Aussage ist in mehrfacher Hinsicht problematisch: Zum einen meint „Gesetz“ in Psalm 119 nicht das Gesetz vom Sinai ausschließlich, sondern das Wort Gottes i. A. Zum anderen: Der Grundsatz „Tu dies, und du wirst leben“ (Lk 10, 28) galt auch zu alttestamentarischer Zeit durchaus. Natürlich kann man von den Juden des AT nicht erwarten, dass sie zum Thema „Gesetz“ das wussten, was Paulus sehr viel später in seinen Briefen entfalten würde. Aber Spieker macht es sich zu einfach. Nimmt man die Harmonie der gesamten Heiligen Schrift ernst, gilt es sehr wohl, das AT vom NT her aufzurollen, die „biblischen Schriften rückwärts zu lesen“, wie Spieker das an anderer Stelle den Jüngern attestiert (S. 524). Und von der paulinischen Theologie her besehen, ist Spiekers Aussage nicht haltbar. Gott hat in der Haushaltung des Gesetzes den Menschen durchaus geprüft und es wurde manifest, dass er unverbesserlich ist.
Die Aussage, es gehe im AT gar nicht ums persönliche Seelenheil, halte ich für mehr als bedenklich. Zum Ende, in dem erwecklichsten Kapitel XII., bezieht er sich selbst auf Prediger 3, 11. Dass der Mensch um seine individuelle Erlösungsbedürftigkeit weiß, halte ich für eine conditio humana. Natürlich kam auch schon im AT der fromme Israelit an den Punkt, zugeben zu müssen, dass er es nicht schafft, aus eigener Kraft das Gesetz zu erfüllen. Die fortwährenden Opfer erinnerten jeden Juden schon zu Zeiten des AT daran, dass er einen Stellvertreter benötigt.
Wenn Spieker schreibt, die Griechen und Römer seien schon weiter als die Juden gewesen, was ihre Jenseitsvorstellung betriff, und im AT habe es keine Perspektive gegeben, die über den Tod hinausreicht (vgl. S. 136), ignoriert das sträflich, was das AT über den Scheol oder das ewige Leben lehrt (was durchaus nicht diffus ist!) und Bibelstellen wie Hiob 19,25 f., Psalm 49,16 oder Daniel 12, 2.13, wo die Ewigkeitshoffnung der Gläubigen des AT mehr als deutlich wird. Spieker führt an anderer Stelle sehr präzise aus, was die Sadduzäer kennzeichnete, nämlich die Ablehnung jeder Jenseitshoffnung. Stimmten seine o. g. Aussagen ebenfalls, wäre der Skeptizismus der Sadduzäer Mainstream gewesen.
In Bezug auf das unliebsame Schweigegebot in 1. Kor 14 ist sich Spieker nicht zu schade, das längst und vielfach entkräftete Argument zu bemühen, mit „schweigen“ sei „dazwischen reden“ gemeint (vgl. S. 591). Des Weiteren kontextualisiert er munter, um sicher zu gehen, dass er diese garstige Bibelpassage wirklich auch loswird (vgl. S. 592).
Ein Blick ins Literaturverzeichnis, aber auch das Nachwort ist aufschlussreich, um zu erfahren, wer Spiekers Schriftverständnis prägt. Spieker vertritt offensichtlich den dritten Weg, den viele evangelikale Bibelschullehrer inzwischen beschreiten, d. h. eine moderate Bibelkritik wird entgegen der Chicago-Erklärung für legitim und nötig befunden. In Kapitel XI. gibt Spieker dann unumwunden zu, was er von der Auffassung einer Verbalinspiration hält, wobei er m. E. irrtümlicherweise dieser Auffassung ein mechanisches Inspirationsverständnis unterstellt und „Textkritik“ verwechselt mit „Bibelkritik“ (vgl. S. 894). Der Vergleich zwischen dem Dogma der Unfehlbarkeit der Heiligen Schrift und dem päpstliches Unfehlbarkeitsdogma der katholischen Kirche sowie ihren Dogmen von der unbefleckten Empfängnis und der Himmelfahrt Marias ist so polemisch wie falsch. Wie Eckard Schnabel schon vor Jahren nachgewiesen hat, ist die Auffassung von der Verbalinspiration und Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift keine neue Auffassung, sondern sie entspricht dem Selbstzeugnis der Bibel und einer langen Tradition. Dass Spieker das Thema mit folgendem, faktisch katholischen Satz Brunners beschließt: „Nicht die Bibel hat die Kirche hervorgebracht, sondern die Kirche die Bibel“, ist jedenfalls keine überzeugende Alternative (S. 896).
Für mich ist ein Schriftverständnis, wie es Guido Baltes, Markus Spieker u. a. vertreten, auch wenn die evangelikale Bibelkritik oft unter dem Vorwand der Apologetik daherkommt – schon Reimarus nannte seinen bibelkritischen Text „Schutzschrift“ (vgl. S. 882) –, ein gefährliches trojanisches Pferd. Man kann nicht gegen das wunderkritische Paradigma zu Felde ziehen und an dieser Stelle das Primat des Glaubens einfordern, aber sich gleichzeitig in Bezug auf die Heilige Schrift auf eine (wenn auch moderate) Form der historisch-kritischen Methode und Bibelkritik einlassen – Spieker attestiert ihr „manche wertvolle Erkenntnis“ (S. 887) – und damit an dieser Stelle das Primat der Vernunft akzeptieren. Die Bibel beweist sich durch sich selbst, durch ihre den Sünder überführende moralische Kraft. Die Analogie zum Papst suggeriert die Vorstellung von einem „papiernen Papst“ und einen Gegensatz zwischen Heiliger Schrift und Jesus. Gott und Bibel bilden jedoch keine Gegensätze. Was ich als Nachgeborener, der Jesus nicht mehr live erlebt hat, weiß, weiß ich aus seinem Wort. Mein Christus ist der Christus der Schriften. Und die Bibel ist keineswegs nur ein Reden über Gott, sondern ein Reden Gottes. Insofern sind für mich Bibel- und Jesustreue Synonyme.
Völlig verquer sind auch Spiekers Aussagen zur Hölle. Er gibt zwar zu, dass Jesus viel von der Hölle gesprochen habe, jedoch ausschließlich gegenüber seinen Jüngern. Zurecht arbeitet er heraus, dass Dantes Hölle sich nicht auf die Bibel berufen könne, aber dieselbe Sorgfalt, die er auf die heidnischen Höllenvorstellungen verwandt hat, hätte er auch auf die Bibelstellen verwenden sollen, wo sehr wohl von der Hölle die Rede ist. Die Aussage, die Verdammnis brauche Christen nicht zu beschäftigen, irritiert ebenfalls. Paulus jedenfalls ließ sich durchaus bei seiner Mission von dem „Schrecken des Herrn“ (2. Kor 5, 11) motivieren. Zu Spiekers Verteidigung muss man sagen, dass er die Auffassung von einer Allversöhnung dezidiert für häretisch erklärt; umso erstaunlicher, dass er Origenes dennoch als Christ bezeichnet (vgl. S. 815).
Spieker insistiert mehrfach auf der Rechtfertigung aus Glauben. Wenn man das Buch aber mit einer gewissen Verdachtshermeneutik lesen würde, würden einen Aussagen wie die, die Heiligen- und Reliquienverehrung finde eine gewisse Berechtigung in Apostelgeschichte 5,15, oder Ignatius von Loyola habe einen ebenso großen Glaubenseifer an den Tag gelegt wie Luther, irritieren. Ich werte sie wohlwollend als den Versuch des Historikers, die Vergangenheit zunächst verstehen zu wollen, bevor man ein Werturteil trifft.
In Bezug auf das Bibelbuch der Offenbarung bestreitet Spieker, dass der Jünger Johannes und Autor des gleichnamigen Evangeliums der Autor ist. Vor allem aber bezieht er den Inhalt des Buches lediglich auf die Christenverfolgung im Römischen Reich. Gern würde ich ihm den hermeneutischen Schlüssel zur Offenbarung – Kapitel 1, 19: „das, was du gesehen hast und was ist und nach diesem geschehen wird“ – einmal erklären und an die Hand geben.
Wie im Buch zuvor mit dem Titel „Übermorgenland“ verwendet er den Ausdruck „christliches Abendland“ durchgängig ohne Anführungszeichen, was einen distanzierten Wortgebrauch andeuten würde. Spieker ist es also auch diesmal ernst mit dem überschwänglichen Lob der kulturellen Verdienste des Christentums. Vom Verfallstheorem des Dispensationalismus herkommend stimme ich durchaus nicht ein in das Lob des Kultur gewordenen Christentums. Den Satz, wonach das Blut der Märtyrer der Same der Kirche gewesen sei, lässt Spieker zwar gelten und sieht auch für die Gegenwart die Chancen eines in die Defensive geratenen Christentums, versteigt sich aber zu der Aussage, letztendlich erfolgreicher gewesen sei das Christentum, wo es die Herrschenden auf seiner Seite gewusst habe. Die Frage, die sich mir stellt, ist, woran man den Erfolg des Christentums festmacht. Bestimmen dereinst seine Kulturleistungen über den Erfolg oder Misserfolg des christlichen Glaubens oder ist es die Anzahl der Seelen, die einmal das Lamm preisen werden und die der ewigen Verdammnis entkommen sind?
Fazit: Was Markus Spieker an Kenntnissen und Lektüre in diesem Werk zusammengetragen und verdichtet hat, ist beeindruckend. Sich sowohl den historischen Kontext der Bibel wie auch die Kirchengeschichte anzueignen, vor diese Aufgabe ist jede Generation aufs Neue gestellt. Der Autor macht es uns mit seiner hervorragenden stilistischen und didaktischen Begabung leicht. Was seine Theologie und Schrifthaltung betrifft, wünscht man sich, dass er sich in naher Zukunft einmal mehr Zeit zum Lesen statt Schreiben nimmt.
02.10.20 20:13 | Henrik
Wissen. Lesen. Glauben.
Schon wieder ein Jesusbuch? Gibt es denn nicht genug? Bei seiner Recherche zu „Jesus. Eine Weltgeschichte“ ist dem Autor Markus Spieker bewusst geworden, „dass Kirche und Wissenschaft längst nicht fertig sind mit dem Gekreuzigten und Auferstandenen“. Und deshalb erklärt er, warum Christen an der Bibel, ihren Wundergeschichten und Jesu Gottessohnschaft festhalten sollen.[1]
Markus Spieker, Fernsehjournalist und Autor, hat ein Buch mit knapp 1.000 Seiten vorgelegt. Zu Beginn hatte er das nicht vor, doch in seiner Entstehung ist das Buch immer weitergewachsen. Eigentlich wollte Spieker nur Jesu Leben nacherzählen, dann in die Zeitumstände einbetten, schließlich in die Weltgeschichte insgesamt. „Ich zoome langsam auf Jesus, den Mittel- und Knotenpunkt allen Seins, verweile einige Kapitel bei ihm, um dann die Perspektive wieder zu öffnen für das, was Jesus in die Welt gebracht hat“. Während seiner Recherche zu dem opulenten Werk wurde ihm erneut klar: Die moderne Theologie mit ihrer liberalen Bibelkritik hat viel Porzellan zerschlagen. [2] Er selbst verortet sich „in der Tradition geistlicher Erneuerungsbewegungen, wie es sie seit der Spätantike in den unterschiedlichsten konfessionellen Kontexten gab, die aber dasselbe verfolgten: zurück zur ersten Liebe, zurück zu Jesus“.
Im ersten Teil „Schöpfer“ beleuchtet der Verfasser die universale Vorgeschichte bis zur Geburt Jesu. Leider geht Spieker wohl nicht vom kreationistischen Ansatz der 6-Tage-Schöpfung aus, doch das spielt im Buch keine tragende Rolle. Nicht nur informativ, sondern erzählerisch ansprechend wird die Gottessuche der Völker und die Messias-Erwartung der Juden vor der extremen Drucksituation im Heiligen Land während der Zeitenwende dargestellt. Schon hier zeigt sich, dass ein Pageturner vorliegt, der sowohl Menschen ansprechen möchte, die Fragen und/oder Zweifel an den christlichen Glauben stellen, als auch Christen in ihrem Horizont weitere Erkenntnisse zur Verfügung zu stellen.
Im zweiten Teil „Retter“ wird der Fokus des Lesers auf das öffentliche Wirken des Herrn Jesus zum Inhalt. Neben Leben und Lehre wird vor allem sein Tod auf Golgatha in einen universellen Rahmen eingebettet. „Aus christlicher Sicht ist der Weg zum Kreuz ein Triumphzug der siegreichen Liebe“. Spieker ist sich bewusst, dass er nur einen Ausschnitt der Christengeschichte darstellt und aus einer westeuropäischen Perspektive schreibt. „Unser Standpunkt bestimmt unsere Perspektiven“.
Im dritten Teil „Freund und Helfer“ blickt der Verfasser von der Auferstehung über das Aufgehen der christlichen Saat auf 2000 Jahre Jesus-Bewegung. „Die Jesus-Nachfolger pflegten von Anfang an eine Kultur der Mitmenschlichkeit“. Hierbei stellt er die „Greatest Hits“ der Christenheit, aber auch den Widerstand und die inneren Konflikten dar. „Seine Botschaft krempelt nicht nur das Leben einzelner Menschen um, sondern die ganze Welt – und zwar von unten und von den Rändern der Gesellschaft“. Und deshalb hat es sich Spieker nicht nehmen lassen, am Ende des Buches mit einer praktischen Anleitung zur Jesus-Begegnung zu schließen.
Das Buch ist getrieben von der persönlichen Faszination und der Glaubensbeziehung des Autoren zu seinem Erlöser, denn, "so durchgeknallt das klingt, die Lösung aller Probleme" ist der Gottessohn. „Bei der Beschäftigung mit Jesus gibt es nun mal keinen neutralen Boden. […] Ich habe versucht, alle relevanten Informationen über Jesus, seine Vorgeschichte und sein Weiterleben, zu sammeln, sie durch die Brille des Glaubens zu betrachten, sie nach bestem Gewissen zu gewichten du ihnen eine schlüssige Erzählstruktur zu geben“. Im IDEA-Interview äußerst sich Spieker so: „Die deutsche Theologenzunft bekommt den Bedeutungsverlust, den sie mit zu verantworten hat, inzwischen selbst zu spüren. Das ist mir bei der Arbeit an meinem Buch überdeutlich geworden. Mehr als drei Viertel der aktuellen Fachliteratur, die ich verwendet habe, kamen aus dem englischsprachigen Raum. Einfach deshalb, weil dort die spannenderen Forschungsdebatten laufen. Etwa über die Frage, welchem literarischen Genre die Evangelien zuzuordnen sind. Immer mehr internationale Top-Theologen gehen fest davon aus, dass es sich schlicht und einfach um Biografien handelt und dass sie nicht auf vagem Hörensagen und obskuren Überlieferungen basieren, sondern auf Augenzeugenberichten. Mehr denn je können Christen davon überzeugt sein, dass sich das, was die Apostel erzählten, wirklich zugetragen hat.“[3] Das 32 Seiten umfassende Literaturverzeichnis, das nur eine Auswahl darstellt, ist ein eindrucksvoller Beleg für jeden Skeptiker.
Auch wenn das Buch knapp 1.000 Seiten umfasst, so ist es ein Pageturner. Das liegt einerseits am aufschlussreich-informativen Inhalt, aber andererseits auch an Spiekers Geschick für Sprache. Die historischen Fakten werden interessant aufbereitet, wovon schon die motivierenden Überschriften im Inhaltsverzeichnis zeugen. „Auferstehung: Comeback für die Ewigkeit“. Dem Schreiber gelingt es Wissen für jedermann verständlich zugänglich zu machen. „Der Atheismus ist damals wie heute, nicht der Endpunkt einer aufklärerischen Entwicklung, sondern nur ein resignatives Zwischenfazit, ein Intermezzo. Am Ende kehrt die Philosophie doch wiederum zum Gottesglauben zurück“. Neben der breiten Informationsfülle gibt es immer wieder markante Sätze, die Wahrheiten prägnant weitergeben. „Musik ist die Kunstform, in welcher der Mensch der göttlichen Kreativität am nächsten kommt“.
Als theologischer Laie schreibt der Autor in erster Linie für ein interessiertes Nicht-Fachpublikum: für Christen und Glaubenssuchende, „die sich intensiv mit der spannendsten Persönlichkeit aller Zeiten auseinandersetzen wollen“.
Schlussendlich möchte Markus Spieker dazu animieren, selber die Bibel zur Hand zu nehmen und darin zu lesen. Denn das, was da steht, ist wirklich passiert. „Das ist das effektivste Glaubenswachstumsprogramm“.[4] Spiekers Buch ist eine Orientierungshilfe im Zeitalter der Auflösung von Wahrheit und Infragestellung dessen, was das Wort Gottes ist. „Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß auch nicht, wer er ist und wohin er unterwegs ist“.
Das Buch hilft der „kulturellen Amnesie und des Identitätsverlustes“ im christlichen Abendland und dem fortschreitenden „Glaubens-Analphabetismus“ entgegenzuwirken. Und so sollte jeder, der mit Jesus unterwegs ist oder Fragen an ihn stellt, das Buch lesen.