Die Brüder und die Lehren der Gnade
Die Brüder und die Lehren der Gnade
Artikel-Nr | 256391000 |
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ISBN | 978-3-86699-391-4 |
Verlag | CLV |
Seiten | 480 |
Erschienen | 20.09.2019 |
Artikelart | Hardcover, 14 x 21 cm |
Erwählt Gott souverän Einzelne zum Heil, während er andere zur Verdammnis vorherbestimmt? Besitzen Menschen einen freien Willen, um das Evangelium anzunehmen oder abzulehnen? Starb Christus gleichermaßen für alle Menschen oder nur für manche?
Jahrhundertelang wurde darüber in der Kirchengeschichte diskutiert. Augustinus hat über die wichtigsten Teilaspekte dieser Fragen mit Pelagius gestritten, Luther mit Erasmus. In der nachreformatorischen Zeit waren diese Themen Gegenstand der Debatten zwischen Calvinisten und Arminianern. Wesley und Whitefield hatten darüber gegensätzliche Meinungen.
Wie dachten die Autoren der Brüderbewegung über diese zentralen Fragen der christlichen Lehre? Welche Auswirkungen hatte ihre diesbezügliche Sicht auf die Evangelisation, Lehre und Wortverkündigung? Obwohl sie in vielen Punkten mit dem Calvinismus übereinstimmten, haben sie sich auf begründete Weise geweigert, sich einem der beiden Denksysteme des Calvinismus oder Arminianismus zuordnen zu lassen.
Ein hilfreiches Buch, in dem der Autor eine Fülle von Quellen ausgewertet und zugänglich gemacht hat. Die Ausführungen fordern heraus, grundlegend über diese wichtigen Themen nachzudenken und Antworten in der Bibel zu suchen.
Autor: | Mark R. Stevenson |
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24.11.22 15:18 | U.S.
Überzeugend belegte Darstellung des "Downgrades" in der Soteriologie der sog. "Brüderbewegung"
Mark Stevenson hat in jahrelanger sorgfältiger Literaturrecherche erforscht und belegt, dass sich die sog. (Plymouther) "Brüderbewegung" von ihrer klaren, biblischen Heilslehre, wie sie die "Cheftheologen" JN Darby und Wm Kelly ihr Leben lang vertraten, innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem eher menschzentrierten Verständnis abgeglitten sind. Dieser "Downgrade" von einem gottzentrierten zu einem menschzentrierten Verständnis des Heilswerks Gottes ist teilweise dem Zeitgeist, teilweise den Evangelisations-"Methoden" und den Verkündigungsinhalten mancher berühmter Evangelisten zu verdanken. Das ist heute teilweise immer noch so.
Ich vermute, dass dies aktuell auch dem abgesunkenen Niveau biblischer Unterweisung/Lehre zu verdanken ist. Man will oft nur noch "erbauliche" und "praktische" (und kurze!) Ansprachen hören, die zwar keine tiefe Gründung in der Lehre der Schrift haben, aber mit Anekdoten und "Anwendungen" unterhaltsam –eben menschzentriert– gestaltet sind. Ausnahmen bestätigen diese regelmäßige Beobachtung. Hier liefert das Buch wertvolle Korrekturhinweise.
Stevensons Arbeit belegt auch, dass die Kritik der Gründer der "Brüderbewegung" an einzelnen Punkten des "Calvinismus" sich auf jene Extremgruppe bezieht, die wir zur Abgrenzung seit einiger Zeit trefflich "Hyper-Calvinisten" nennen; solche lehren und handeln gegen ausdrückliche Lehren und Gebote der Bibel. Die Heilslehre der Gründer der "Brüderbewegung" wurzelte tief in der Heiligen Schrift. Sie dann trotzdem als "calvinistisch" zu bezeichnen, ist heute meistens als Schimpfwort gemeint und entbehrt dabei auf jämmerliche Weise brüderlicher wie theologischer Qualitäten. Stevenson schreibt in einer Vorstudie zum Buch: »It is reasonable to conclude that Darby was a strict Calvinist who saw a particularity in the atonement but did not share the hyper-Calvinist refusal of a universal gospel offer.«
Kennzeichen jeder auf die Bibel gegründeten Heilslehre ist, dass sie sowohl die Souveränität Gottes als auch die Verantwortung des Menschen lehrt und nicht das eine gegen das andere ausspielt und entkräftet. Warum? Weil dies biblisch richtig ist. Stevenson belegt, dass diese Auffassung in der Anfangszeit der "Brüderbewegung" gegeben war, dann aber teilweise verdrängt wurde.
Stevenson belegt, dass der Rat, dass man die Auserwählung zwar lehren, aber nicht in der Evangeliumsverkündigung zum Thema machen solle, auch Darby gegeben hatte. Das Beispiel Jesu und der Apostel sei uns auch hier vorbildlich. Die Schrift lehrt, dass Gott seinen ewigen Heilsplan und seine Souveränität auch im Heilswerk niemals an den Menschen abgegeben hat. Wir dürfen mitarbeiten am Heilswerk Gottes nach Befehl Gottes und mit den Mitteln des Heiligen Geistes (Römer 10 usw.), aber zum Heil erwählen, den Glauben und die Buße schenken und Neues Leben zeugen (usw.), das kann und tut alleine Gott (Römer 8, Römer 9, Epheser 1 usw.). Stevenson zeigt anhand der Zitate und Bibelstellen, was das "Evangelium der Gnade" ist: Es kommt von Gott, es geschieht durch Gott, es geschieht für Ihn (Röm 11:33ff). Eben: SDG!
Das Buch hätte m.M.n. eine viel größere Aufmerksamkeit verdient, da es das Potential hat, eine Schieflage in der Heilslehre und Verkündigungspraxis zu erkennen und –hoffentlich– zu beseitigen. Es geht ja letztlich um die Verherrlichung Gottes! (Oh, was für ein calvinistischer Gedanke der Schrift, zumal das Summa Summarum des Evangeliums im Römerbrief!) Nur eine biblische Theologie führt zu einer biblischen Doxologie! Dies gilt vor allem für das Meisterwerk Gottes, seinem Heilswerk!
Letztlich muss man auch dem Übersetzer Alois Wagner ein großes Lob und dankbare Anerkennung aussprechen. Eine phantastische Leistung!
11.06.20 14:32 | Thimo
ein bereicherndes Werk
Wissenschaftliche Untersuchungen zur Soteriologie (Lehre vom Erlösungswerk Christi) der Brüderbewegung sind bis zur Veröffentlichung dieses Werkes Mangelware gewesen. Es ist begrüßenswert, dass der Autor seine Dissertation als Buch veröffentlicht und diese Lücke teilweise gefüllt hat.
Wer dieses Buch liest, wird die enorme Forschungsleistung des Autors, der selbst der Brüderbewegung entstammt, zu würdigen wissen. Stevenson hat eine Fülle von Quellen ausgewertet - allein seine Bibliografie umfasst beindruckende 49 Seiten. Dennoch ist das Buch leicht lesbar und bietet einen interessanten Einblick in das theologische Ringen der Brüder der ersten Stunde.
Nach einer kurzen Einführung (S. 23ff.) zeichnet Stevenson einen historischen Überblick über die calvinistische Heilslehre (S. 45ff.). Er arbeitet in diesem Zusammenhang heraus, dass die Brüder des 19. Jhdt. „ohne Ausnahme den Extremen des Hyper-Calvinismus kritisch gegenüber [standen]. Ihre Soteriologie bewegte sich vielmehr zwischen striktem und gemäßigtem Calvinismus.“ (S. 104f.). In seiner Untersuchung zur gefallenen menschlichen Natur im Denken der Brüder (S. 125ff.) kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass die Brüder „an einer kraftvollen Sicht von der „völligen Verderbtheit des Menschen“ festgehalten haben“, wenngleich gegen Ende des 19. Jhdt. einige Brüder weniger eindeutig calvinistisch oder sogar offen Arminianer waren (S. 195). Im fünften Kapitel (S. 197ff.) geht Stevenson der Frage nach dem Verhältnis der Brüder zur Prädestinationslehre nach. Er folgert hierbei, dass die Brüder an der bedingungslosen Erwählung einerseits, aber auch an der menschlichen Verantwortung festhielten. Gleichermaßen bekräftigten sie die seelsorgerliche Zielrichtung der Erwählungslehre und warnten dagegen vor ihrer offensiven Verkündigung im Rahmen der Evangeliumsverbreitung (S. 275). Auch die Verwerfung des Menschen sei in der Schrift nicht gelehrt, sondern das Produkt menschlicher Schlussfolgerung (S. 276). Angemerkt sei, dass gerade die Evangelisten unter den Brüdern (besonders Alexander Marshall) dem Arminianismus gegenüber offener waren. Die Ansicht der Brüder zur Reichweite des Sühnungswerkes (universal oder partikular) wird in Kapitel 6 untersucht. Hierbei stellt Stevenson eine interessante Besonderheit für die Brüderbewegung fest. Sie hielten sich nicht an die übliche Formel „ausreichend für alle, wirksam für die Erwählten“, sondern unterschieden zwischen universaler Sühnung (Christus ist für alle Menschen gestorben) und partikularer Stellvertretung (Christus ist lediglich der Stellvertreter für die Seinen). In dem letzten Forschungskapitel geht der Autor schließlich auf die Sichtweisen der Brüder im Hinblick auf den rettenden Glauben, der Buße sowie der Heilsgewissheit ein (S. 331ff.). In diesem interessanten Kapitel stellt er fest, dass viele Brüder wie Calvin die Heilsgewissheit zu einem wesentlichen Bestandteil des Glaubens machten. Dabei objektivierten einige Brüder die Heilsgewissheit so sehr, dass die Erfahrung irrelevant erschien, weswegen andere Brüder zu einer ausgewogeneren Haltung aufriefen.
Bis auf wenige Ungenauigkeiten (Norman L. Geisler und Dave Hunt werden salopp fälschlicherweise als Arminianer bezeichnet, S. 30) und fragwürdige Darstellungen (so stellt Stevenson vier unterschiedliche Sichtweisen innerhalb des Calvinismus dar, lediglich aber nur eine arminanische Position, S. 83f.) ist das interessante Buch sehr zu empfehlen. Die Hoffnung des Autors, „dass dieses Buch zu einer dringend benötigten Klarstellung beiträgt angesichts der anti-calvinistischen Stimmung“ (S. 44) wird sich sicherlich erfüllen.
Neben dem Forschungsergebnis der engen Beziehung der Brüder zur calvinistischen Heilslehre haben mich folgende Punkte beeindruckt:
1. Es ist erstaunlich, auf welch hohem theologischen Niveau die Brüder mit ihren Zeitgenossen argumentiert und gerungen haben. Diese bibelorientierte, tiefgründige Auseinandersetzung wäre heute mehr denn je zu wünschen.
2. Gleichermaßen ist es bewundernswert, wie (erfolgreich) um Ausgewogenheit gerungen wurde und nicht blindlings einem System gefolgt wurde. Die Brüder sträubten sich, die Terminologie des Calvinismus oder Arminianismus ungeprüft zu übernehmen, sondern wollten streng bei der Schrift bleiben. Auch dies ist heute mehr denn je angezeigt. Man möchte mit Charles Simeon rufen: „Seid Bibel-Christen, nicht System-Christen.“ (S. 97)
3. Besonders bei C.H. Mackintosh hat mich beeindruckt, dass tiefgründige, detailtreue Theologie in verständliche, warmherzige Worte gekleidet werden kann und muss. Zwei Beispiele: „Die Errettung – frei und umsonst wie die Sonnenstrahlen, voll wie der Ozean, ewig feststehend wie der Thron des ewigen Gottes – wird mir gepredigt; nicht als einem der Erwählten, sondern als einem, der vollkommen verloren, schuldig und zugrunde gerichtet ist; und wenn ich diese Errettung angenommen habe, dann habe ich einen schlagenden Beweis für meine Erwählung.“ (S. 234) „Wir glauben, dass der Evangelist nicht die Aufgabe hat, Erwählung zu predigen. Paulus predigte nie die Erwählung. Er lehrte die Erwählung, aber er predigte Christus. Daraus ergibt sich der ganze Unterschied.“ (S. 235)
Möge das Buch viele Christen anregen, sich mit schwierigen theologischen Fragestellungen allein von der Schrift her zu befassen und ihren Herrn auch im Detail neu lieb zu gewinnen.
25.01.20 11:15 | Bernd Kolbe
Ausgesprochen gründliche Untersuchung
Ohne Übertreibung kann ich sagen: Selten habe ich mich so auf ein Buch gefreut wie auf dieses. Und ich wurde nicht enttäuscht! Zugegeben, das mag ganz persönliche Gründe haben: Denn die biblischen Gnadenlehren sind die Grundlage meiner Zuversicht und meiner Heilsgewissheit. Und gleichzeitig liebe ich die Brüderbewegung, in der ich mich nun seit 14 Jahren heimisch fühle. Aber auch darüberhinaus sticht dieses Buch hervor. Ich möchte ein paar Punkte nennen:
- Zuerst einmal erklärt der Verfasser, worüber er eigentlich bei den calvinistischen Heilslehren spricht. Diese gründliche Vorarbeit umfasst 80 Seiten und ist grundsätzlich für alle interessant, die sich mal fundiert mit dem Calvinismus und seiner Geschichte beschäftigen möchten.
- In der Folge untersucht der Verfasser, wie die führenden Brüder aus dem 19. Jahrhundert zu den calvistischen Lehren standen. Dazu zitiert er aus vielen Büchern, Zeitschriften und Predigtabschriften und berücksichtigt den geschichtlichen Kontext, in dem die Zitate entstanden sind. Das hört sich mühsam an. Aber unverzerrte und ehrliche Einschätzungen müssen durch harte Arbeit erkauft werden und können nicht im Nebenbei gewonnen werden!
- Der Fokus der Untersuchung liegt nicht auf der Frage, wie die Brüder zu gewissen Schlagworten (Calvinismus, Arminianismus) standen, sondern darauf, was sie tatsächlich glaubten. Sehr aufschlussreich!
Zum Schluss erlaube ich mir noch zwei persönliche Anmerkungen:
- In letzter Zeit sind einige Veröffentlichungen über den Calvinismus entstanden. Auch aus Kreisen der Brüderbewegung. Und diese kann man nicht immer als wohlwollend bezeichnen. Aber vielleicht dient dieses Buch dazu, dass manch eine verzerrte Darstellung überarbeitet oder wenigstens abgeschwächt wird.
- Die Untersuchung fragt nach der Haltung der führenden Brüder aus dem 19. Jahrhundert. Das fordert uns natürlich nicht dazu auf, ihnen sklavisch in allem zu folgen. So sehr ich sie selbst schätze, an manchen Stellen hätte ich mir eine noch klarere (will meinen biblischere) Sicht gewünscht. Zum Beispiel wurde immer wieder die Behauptung aufgestellt, dass man Ungläubigen gegenüber die Frage der Erwählung nicht ansprechen solle, da es sie durcheinanderbringe. Das ist aber sehr menschlich gedacht, zumal der Herr Jesus selbst in Johannes 6 das gegenteilige Verhalten an den Tag legte.
29.11.19 09:04 | T.L.
Wichtiges Buch!
Dieses Buch schließt eine Lücke. Die Brüderbewegung legte über Jahrzehnte den Schwerpunkt auf Ekklessiologie (Lehre von der Gemeinde) und Eschatologie (Lehre der letzten Dinge) / Prophetie. Die Soteriologie (Lehre der Errettung) ist dadurch tendenziell in Vergessenheit geraten. Eine Terminologie der Rettung eines Menschen findet man in der Brüderliteratur kaum. Aus diesem Mangel ist ein Vakuum entstanden, welches mit etlichen Auffassungen und Unklarheiten gefüllt wurde. Wie war die Lehre der Brüder über die Rettung der Seele? Welches Verhältnis besteht zwischen Gottes Souveränität und des Menschen Verantwortung? Wie geschieht was? Was ist die biblische Abfolge? usw.
Dieses Buch zeigt, wie die Gründerväter in dieser wichtigen Frage lehrmäßig aufgestellt waren. Es zeigt das Ringen um das rechte Verständnis, räumt aber auch mit Vorurteilen und fertigen Meinungen auf, die Brüder hätten hier keine klare Sicht gehabt.
So kann dieses Buch dazu beitragen, in der Frage der "Rettungs-Lehre" in der Brüderbewegung einen klaren Standpunkt zu bekommen.