Heilsgeschichtlich denken
Artikel-Nr | 257431000 |
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ISBN | 978-3-89287-431-7 |
Verlag | CSV |
Seiten | 576 |
Erschienen | 15.03.2023 |
Artikelart | Hardcover, 16 x 22 cm |
Wer die Bibel liest, ist fasziniert von ihrer Vielfalt. Man findet tiefgehende Unterweisungen, glasklare Gebote, tröstende Verheißungen, lehrreichen Geschichte und vieles mehr.
Aber man fragt sich: Wie sind Prophetie, Poesie und die Briefe im Zusammenhang zu verstehen? Wie kann man die einzelnen Aussagen der Bibel widerspruchsfrei einordnen und als Christ ausleben?
Das vorliegende Buch zeigt, dass Gott in unterschiedlichen Epochen auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Menschen handelt und dass das ganz besonders für die christliche Zeit gilt.
Dieses heilsgeschichtliche Denken ergibt sich aus dem Wort Gottes selbst und erweist sich als der rote Faden, der die ganze Bibel durchzieht, und uns hilft, das Wort Gottes besser zu verstehen.
Heilsgeschichtlich denken ist anschaulich geschrieben, aufwändig gestaltet und mit farbigen Grafiken versehen.
Autor: | Michael Hardt |
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13.07.23 01:18 | Marcel Haldenwang
Profunde Einführung in dispensationalistische Hermeneutik!
Einleitung
Der Autor will den Leser auf 576 Seiten „heilsgeschichtlich denken“ lehren. Das Buch richtet sich an Christen, die die Bibel noch nicht heilsgeschichtlich (hg) lesen, und an solche, die dies (noch) unbewusst tun (vgl. S. 16 f.).
Noch vor wenigen Jahren wäre es m. E. bei den „geschlossenen Brüdern“ undenkbar gewesen, die eigene Herangehensweise an die Bibel ungestraft „Hermeneutik“ zu nennen. Man las die Bibel mit der hg Brille, war sich dessen aber nicht bewusst. H. verfolgt mit seinem Buch nun explizit das Ziel, den Bibellesern ihre Brille bewusst zu machen (vgl. S. 17, 94, 109). Er mutet ihnen zu, sich Gedanken zweiter Ordnung zu machen. Auch scheut er nicht davor zurück, den Lesern eine Menge Fach- und Fremdwörter zuzumuten. Auslegungsvoraussetzungen nicht zu reflektieren ist brandgefährlich und eine Ursache dafür, dass so viele bei der ersten Berührung mit anderslautenden Auffassungen den Dispensationalismus (D.) – neben der Ekklesiologie m. E. das kostbarste Erbe der „Brüder“ – über Bord werfen. Gerade Jugendlichen, die sich von der Intellektualität der Reformierten angezogen fühlt, tut dieses Buch einen großen Gefallen. Zudem ist, wer ein naiver Dispensationalist ist, nicht fähig, mit Christen anderer Prägung in einen Dialog zu treten. Solange man sich innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft bewegt, fällt i. d. R. nicht auf, dass man sich der eigenen Denkvoraussetzungen nicht bewusst ist, aber sobald man die Filterblase verlässt und versucht, mit Christen anderer Prägung zu sprechen, kann es zu erheblichen Verständigungsproblemen kommen.
Inhalt
Das Buch gliedert sich in acht Kapitel, zehn Bausteine und fünf Anhänge. Das dem Vorwort folgende erste Kapitel enthält eine Einleitung. Anhand von einigen konstruierten Beispielen aus dem Alltag und anhand von innerbiblischen Beispielen wird für den Umstand sensibilisiert, dass wir uns über die Reichweite von Bibelstellen Gedanken machen müssen.
In Kapitel 2 gibt H. eine Definition für „hg Denken“: dass Gott in verschiedenen hg Epochen unterschiedlich handelt, wobei er selbst selbstverständlich unwandelbar ist. Nur mit diesem Ansatz lasse sich die Bibel widerspruchsfrei lesen und verstehe man wirklich, was den Reichtum des christlichen Glaubens und die Herrlichkeit Gottes ausmache. Dem D. wird die Bundestheologie (B.) entgegengesetzt, die all das nicht vermöge. Der D. sei stark unter Beschuss, weil man die Naherwartung aufgegeben habe und es sich „auf der Erde bequem gemacht hat“ (S. 38), weil Gesetzlichkeit für den natürlichen Menschen sehr anziehend sei (vgl. S. 38) und weil dem D. unterstellt werde, er stehe einer friedlichen Lösung des Nahostkonflikts im Wege (vgl. S. 39, 42, 59 f., 177, 214, 216).
Kapitel 3 greift einige (unterstellte) Einwände gegenüber dem D. auf, geht v. a. der Frage nach, wie der Ansatz mit der Kontinuität und Allwissenheit Gottes und der Harmonie der Heiligen Schrift vereinbar ist und was von dem Neuheitsvorwurf zu halten ist gegenüber dieser Lehrauffassung. Glaube sei zu allen Heilszeiten das Mittel zur Errettung eines Sünders gewesen und Jesu Sühnopfer die objektive Grundlage, jedoch habe sich der Inhalt des Glaubens im Laufe der Heilsgeschichte gemäß dem Offenbarungsfortschritt verändert.
In Kapitel 4 führt der Autor nun behutsam in ein Epochenschema zur Einteilung der Heilsgeschichte ein und landet bei den sieben Epochen von Scofield (vgl. S. 76 f.): Unschuld, Gewissen, Regierung, Verheißung, Gesetz, Gnade, Friedensreich, (Ewigkeit). Erst danach kommt er auf die Einteilung zu sprechen, wie sie Darby vorgenommen hat. Es schließt sich ein Plädoyer an, die „3D-Brille“ des hg Denkens aufzusetzen.
Kapitel 5 widmet sich den Konsequenzen der dispensationalistischen Überzeugungen im Hinblick auf Themen wie „Anbetung“, „Christ und Politik“, „Christ und das Gesetz vom Sinai“, „Heilsgewissheit“ und „Sakralbauten/Priesteramt/Weihrauch“, „Christ und Psalmen“.
Kapitel 6 umfasst insgesamt über 300 Seiten und subsumiert ganz unterschiedliche Einsichten des Autors, die er als „Bausteine“ bezeichnet. Zunächst skizziert er, was er unter Bündnis- bzw. Föderaltheologie versteht (Bund der Errettung, der Werke, der Gnade) und inwiefern sich die „klassische“ von der „methodistischen“ B. unterscheidet und welche Auswirkungen das für die Eschatologie hat. Er nennt auch die Überzeugungen, welche der D. und die B. teilen (Inspiration der Bibel, Trinität, Sündenfall, Christologie, Errettung aus Gnade und Glauben). Es folgt eine ausführliche Kritik der drei Bündnisse der B. H. führt insbesondere aus, dass sie die Bibel rückwärts lese und viele Verheißungen, die sich auf Israel bezögen, aufgrund der Identifikation von Israel und Gemeinde vergeistliche. Die B. leite anders als der D. ihre Hermeneutik nicht aus der Bibel selbst ab, beschränke die Gnade auf Auserwählte und behaupte schriftwidrig, dem Sünder werde die praktische Gerechtigkeit Christi zugerechnet.
In „Baustein 1“ widmet sich der Autor nun ausführlich den verschiedenen Schriftsinnen und führt die Missverständnisse der B. darauf zurück, dass sie oftmals den Literalsinn übersprungen und sogleich Allegorese betrieben habe. Er führt aus, dass die biblischen Autoren bereits erfüllten Prophezeiungen stets buchstäbliche Bedeutung beigemessen hätten. Der B. wirft er vor, mitten im Rennen einen „Pferdewechsel“ zu vollziehen, eine „Hermeneutik ,à-la-carte’“ zu betreiben und die Prophezeiungen für die Zeit vor Christi Geburt wörtlich, solche, die sich auf einen späteren Zeitpunkt bezögen, jedoch allegorisch zu deuten.
Baustein 2 macht als weitere Ursache für die Missverständnisse der B. den Umstand aus, dass man nicht bedenke, dass sich die Offenbarung Gottes fortschreitend vollzogen habe. Dies weist er am Beispiel der verschiedenen Gottesnamen nach.
Baustein 3 wendet sich als drittes gegen die Gleichsetzung von Israel und Gemeinde. H. untersucht die Vorkommen des Wortes „Versammlung“ im AT und die des Wortes „Israel“ im NT und stellt anschließend die Charakteristika von Israel und Gemeinde in einer Tabelle gegenüber.
Baustein 4 führt auf fast 80 Seiten den Nachweis, dass Israel im Rahmen des 1000jährigen Friedensreiches eine nationale Zukunft hat, d. h. stellt dem Post- und Amillenarismus den eigenen Prämillenarismus gegenüber, den H. mit drei anschaulichen Grafiken visualisiert. Schließlich nimmt sich der Autor den Bund mit Abraham (und den übrigen Patriarchen), den Bund mit David sowie den neuen Bund vor, um zu zeigen, dass die Verheißungen, die im Rahmen dieser Bünde gemacht wurden, noch nicht vollständig erfüllt sind, sofern man sie nicht vergeistlicht und der Versammlung zuschreibt.
Baustein 5 widmet sich dem neuen Bund, besonders der Ankündigung durch Jeremia in Kapitel 31 des gleichnamigen Bibelbuches. Dieser werde zwar mit Israel geschlossen, enthalte aber neben materiellen auch geistliche Segnungen, die auch der Versammlung gelten würden, wenngleich deren Segnungen viel weitreichender und nicht an einen Bund geknüpft seien. Bei der Einsetzung des Abendmahles lüfte Jesus das große Geheimnis, warum Gott überhaupt bedingungslos einen Bund schließen können: Jesu Blut, sein Leiden und Sterben, machen es möglich (vgl. S. 308)!
Baustein 6 nimmt sich der wichtigsten hg Zäsur überhaupt an: dem Kreuz, das der Zeit der Erprobung des natürlichen Menschen ein Ende gesetzt habe; mit dieser Zäsur korrespondiere Paulus‘ Unterscheidung von erstem und zweitem Menschen in 1. Kor 15.
Baustein 7 nimmt sich des Verhältnisses des Christen zum Gesetz vom Sinai an. Abermals wird betont, dass der Christ nicht gerechtfertigt werde, weil Jesus stellvertretend das Gesetz für ihn gehalten habe. Das Gesetz hat in der gegenwärtigen Haushaltung nach wie vor die Funktion, dem natürlichen Menschen einen Spiegel vorzuhalten. Die Unterscheidung zwischen moralischem und zeremoniellem Gesetz wird abgelehnt, für den Christen maßgeblich sei das Vorbild Jesu.
Baustein 8 greift das Thema von Baustein 4 erneut auf und ergänzt Grafiken zur Veranschaulichung von A-, Post- und Prämillenarismus, um sich dann der „Erscheinung“ Jesu in AT und NT zu widmen; hilfreich ist auch die Zusammenstellung der synonymen Ausdrücke. Das Kapitel schließt mit einigen erwecklichen Bemerkungen, inwiefern die Erscheinung Jesu unser Leben als Christen tangiert.
Baustein 9 widmet sich dem Thema „Entrückung“, stellt es der „Erscheinung“ gegenüber und grenzt die eigene Überzeugung von der Prätribulation vom Posttribulationismus ab. Besonders hervor sticht in diesem Kapitel der schematische Überblick über den Aufbau der Offenbarung. Auch dieses Kapitel klopft das Thema auf seine Gegenwartsrelevanz hin ab und fordert den Leser auf, angesichts der bevorstehenden Entrückung mit leichtem Gepäck zu reisen.
Baustein 10 widmet sich dem jüdischen Überrest. H. unterscheidet zwischen dem aus den zwei Stämmen, der bereits zum Zeitpunkt der Erscheinung Jesu in Israel zugegen ist, und dem Überrest aus den 10 Stämmen, der sich gemäß Jesaja 11 oder Hes 20 erst zu Beginn des 1000jährigen Reiches in Israel einfinden wird. Entschieden weist der Autor präteristische Auffassungen zurück, wonach die Prophezeiungen zur Rückführung eines Überrestes nach Israel bereits erfüllt seien.
Kapitel 7 widmet sich nun den spezifisch christlichen Segnungen: dem vollbrachten Werk, dem verherrlichten Menschen im Himmel, der göttlichen Person auf der Erde (Heiliger Geist), dem einen Leib, dem Haupt im Himmel, der Offenbarung Gottes als Vater, der Anbetung in Geist und Wahrheit, der himmlischen Berufung sowie der unmittelbaren Erwartung der Entrückung.
Kapitel 8 weist die Verherrlichung Gottes als übergeordnetes Prinzip und Zweck aller hg Epochen aus. H. fordert den Bibelleser auf, die Bibel v. a. unter diesem Aspekt zu erforschen.
Anhang 1 schließt an Baustein 9 von Kapitel 6 an und führt weitere Belegstellen für die Auffassung an, dass der Entrückung nichts mehr vorausgehen muss. Anhang 2 schließt an Baustein 8 an und schildert den Ablauf der Ereignisse rund um die Erscheinung Jesu. Einen konzisen Überblick bietet die mit den Ziffern 1 bis 17 nummerierte Übersicht auf den Seiten 490 bis 492. Anhang 3 schließt an Baustein 4 an und widmet sich nun noch dem bedingungslosen Bund mit David im Detail und unterscheidet ihn vom an Bedingungen geknüpften Bund mit Salomo. Anhang 4 besteht aus einer Anthologie von Ausdrücken und Bibelstellen im NT, die vom D. und der B. unterschiedlich ausgelegt werden. Anhang 5 fügt sich an Baustein 10 an. Nachdem der Autor in Kapitel 1 ausführlich über die Vorzüge des Literalsinns nachgedacht hat, fügt er nun weitere, größtenteils allegorische Hinweise auf den Überrest an (u. a. die Brüder Josephs, das Buch Ruth, das Hohelied oder Jona).
Kritische Würdigung
H. hat sich die Mühe gemacht, die Überzeugungen der „Brüder“, zu deren Schriften nur noch wenige Zugang haben dürften, in einem Kompendium zusammenzufassen. Er weist v. a. im Bereich der prophetischen Bibelbücher eine sehr profunde Bibelkenntnis auf. Er möchte den naiven in einen bewussten D. überführen. Zugleich räumt er mit dem Missverständnis auf, der D. sei im Wesentlichen ein bestimmtes Endzeitmodell. H. wirft der B. vor, eine Hermeneutik von außen an die Bibel heranzutragen, deswegen ist es sehr wichtig, dass er selbst seine Auslegungsprinzipien gründlich biblisch verankert.
Das Lektorat ist weitgehend sorgfältig, die Grafiken sind anschaulich, das Bibelstellen- und Stichwortverzeichnis nützlich. Der ordnende Eingriff eines Lektors wäre allerdings nötig gewesen, um das völlig überladene sechste Kapitel übersichtlicher zu gestalten; die meisten Bausteine hätten den Rang eines eigenen Kapitels verdient, die Anhänge hätten dem Lesefluss zuliebe in den Text integriert werden müssen. Die Sprache ist m. E. anschlussfähig. Als versammlungssprachlich ist mir nur der Gebrauch des Wortes „Vorbild“ (statt „Präfiguration“) aufgefallen (S. 48, 151, 177, Fußn. 69).
Zwar gibt es Fußnoten, dem Buch fehlt allerdings ein Literaturverzeichnis. Um dem Strohmann-Vorwurf zu entgehen (vgl. S. 130) und den Leser darüber aufzuklären, welche der Spielarten der B. er gerade im Sinn hat, hätten die Aussagen zur B. stärker belegt werden müssen. Die mehrfach wiederholte Aussage, die B. habe keine Sympathien für Israel, ist jedenfalls definitiv ein Strohmann. (Das schlagende Gegenargument ist übrigens nicht, dass Christen Gottes Ratschluss nicht nachzuhelfen bräuchten, sondern der Umstand, dass Israel derzeit Lo-Ammi ist.) Vergessen ist Oliver Cromwell, der England wieder für Juden öffnete, weil er hoffte, dass Römer 11 in seinem Land stattfinden würde, oder die zahlreichen schottischen Presbyterianer, die bis heute an eine Bekehrung der Juden glauben, sowie Wilhelmus à Brakel und viele andere niederländisch-reformierte Bundestheologen.
H. beansprucht für sich, die Bibel hg zu lesen, und kontrastiert das mit der bündnistheologischen (bt) Bibellektüre (vgl. S. 127, Fußn. 40). Das ist begrifflich unscharf, weil dies natürlich auch die B. tut, nur sind ihre Einteilungen andere. Auch die Kritik an den Bündnissen, die die Bibel nicht dem Namen nach kennt, läuft ins Leere, schließlich trifft das auf viele biblische Konzepte zu (z. B. Trinität).
Dass es an Literaturangaben fehlt, gilt auch für die eigene Standortbestimmung: H. unterschlägt weitgehend, welche Spielarten innerhalb des D. es gibt und wo er sich selbst verortet; das Wort „Ultrad.“ kommt lediglich in Form eines Buchtitels in einer Fußnote vor. Das Kapitel zu den unterschiedlichen Schriftverständnissen ist sehr unterkomplex geraten, das Stadelmann-Zitat jedenfalls wirkt angesichts der Fülle von Titeln zum Thema recht verloren. Man hätte überdies erwarten dürfen, dass H. das ähnlich profunde Buch von Schürmann und Isenberg zumindest erwähnt.
H. nennt einige praktische Konsequenzen, die der D. etwa für das Verständnis von Christ und Welt hat (vgl. S. 100 ff.), wobei mir kein reformierter Christ bekannt ist, der einen Gottesstaat errichten will oder Weihrauch schwenkt. Zu ergänzen wäre, dass der D. und die daraus resultierende Zwei-Reiche-Lehre wunderbar mit einem säkularen Staat korrespondieren. Die eingangs aufgeworfene Frage, wie man als Christ seine Haltung zu bestimmten sexualethischen Fragen begründen kann (vgl. S. 24), bleibt allerdings unbeantwortet. Zu konstatieren, dass der Christ mit dem Gesetz nichts mehr zu tun hat, ist das eine – wobei S. 353 übersieht, dass das Gesetz auch gegenüber mutmaßlichen falschen Brautjungfern, die sich für Christen halten, die Funktion der Gewissensermahnung hat. Sehr viel schwieriger ist es, eine universale Minimalethik biblisch zu verankern. H.s Beispiele, anhand derer er die Überlegenheit seiner Hermeneutik veranschaulicht, wirken alle sehr konstruiert; mich hätte interessiert, wie die Kriterien bei realen Themen wie „Fußwaschung“, „Bruderkuss“, „Schweigegebot der Frau“ oder „Kopfbedeckung“ anzuwenden sind.
H. macht die Allegorese als eine Hauptwurzel der bt Missverständnisse aus. Es hätte dem Buch gutgetan, sich bei dieser Gelegenheit gegen den Vorwurf des Biblizismus zu wappnen. An dieser Stelle wären überdies einige selbstkritische Einwürfe zur Allegorese der eigenen Glaubensgemeinschaft angebracht gewesen; auf S. 167 räumt er ein, dass der D. bei den geschichtlichen Bibelbüchern oft stärker typologisiert als die B. Mit seinen allegorischen Ausführungen im Anhang 5 unterminiert er seine Kritik jedenfalls selbst. Selbstkritik vermisse ich auch im Zusammenhang mit der Aussage, der Hang des Menschen zum Legalismus habe das Missverständnis in Bezug auf das Gesetz befördert (vgl. S. 38). Auch was den Vorwurf betrifft, die B. lese die Bibel rückwärts (vgl. S. 180), sei an so manche Konferenz erinnert, wo das Gesetz des Aussätzigen u. a. auf die Versammlung übertragen wurde. Jedenfalls habe ich entgegen dem von H. kolportierten Vorurteil (vgl. S. 139, 473 f.) von reformierten Autoren sehr viel über die „Herrlichkeit Gottes“, v. a. seine Souveränität und Vorsehung, vermittelt bekommen; gerade sie stellen die Lehre von Gott, die Christologie und Soteriologie in den Mittelpunkt der systematischen Theologie und nicht so sehr Ekklesiologie und Eschatologie. Der Gegensatz, den er zwischen der Erlösung des Menschen und der Herrlichkeit Gottes sieht, existiert übrigens m. E. nicht, denn um die Herrlichkeit Gottes zu preisen, bedarf es erlöster Menschen.
Was die hg Epochen betrifft, gibt H. die Einteilung nach Scofield wieder, um dann Darbys Einteilung nachzureichen. Dabei ist Darbys Einteilung sehr viel stringenter. Er kannte nur drei echte Dispensationen - und setzte „Haushaltung“ keineswegs mit „Dispensation“ gleich -, und gerade seine Unterscheidung vom „Regierung“ und „Berufung“ schafft sehr viel Klarheit. Übrigens ließ Darby eine gewisse Unterscheidung zwischen zeremoniellem und moralischem Gesetz sehr wohl gelten, wenn um das Verhältnis Jesu zum Gesetz ging (vgl. S. 104, Fußn. 36, S. 348).
Man darf m. E. in allen in diesem Buch aufgeworfenen Fragen dezidierte Überzeugungen haben. Befremdlich wirken auf mich aber Aussagen wie die, man gelange zwangsläufig zur hg Herangehensweise (vgl. S. 33) und wer die Bibel anders lese, lasse es an Ehrerbietung fehlen (vgl. S. 37). Den Unterschied zwischen Erscheinung und Entrückung könne ein Kind erkennen (vgl. S. 391). Auf S. 477 schließlich bezeichnet er die von ihm skizzierte Lesart der Bibel als „einzige Möglichkeit …, die Bibel zu verstehen“. Immerhin weiß er, „dass bt Ansichten von echten Christen vertreten werden, die es ernst meinen“ (S. 131), und stellt auch die verbindenden Überzeugungen heraus (vgl. S. 132). Dabei wird m. E. übersehen, dass die Front inzwischen ganz woanders verläuft. Viele reformierte Christen gehören zu den wenigen verbliebenen Verbündeten in Sachen Bibeltreue oder Sühnungstod. „Ein echter Affront gegen Christus und seinen Sühnungstod“ (S. 336) ist von ganz woanders her zu erwarten. Längst gibt es einen freundlichen Austausch von biblischen Argumenten zwischen D. und B., bei dem niemand die andere Seite bezichtigt, die Bibel nicht zu verstehen („progressive Dispensationalism“, „progressive Coventalism“ und „New Covenant Theology“).
Es geht nicht darum, einem Erkenntnisrelativismus das Wort zu reden. Aber eine biblische Hermeneutik muss bedenken, dass das Erkennen der objektiven Wahrheit durch gefallene Geschöpfe noch stückweise erfolgt. Eine Hermeneutik, die den Namen verdient, muss überdies nicht nur die Reichweite einer Bibelstelle bestimmen, sondern auch über den Rang einer Lehrauffassung befinden. Zuweilen kann es entgegen der von H.s vertreten Auffassung (vgl. S. 415) sehr wohl sinnvoll sein, ein Thema wie die Entrückung auszuklammern, gerade wenn Christen unterschiedlicher Prägung aufeinandertreffen. Es gibt entgegen S. 417 durchaus viele hingegebene Christen, die die Entrückung nicht erwarten; „der Tod im Topf“ (ebd.) ist bei ganz anderen Lehrabweichungen.
H. grenzt sein Verständnis der hg Kontextualisierung v. a. gegenüber bt Überzeugungen ab. Ebenfalls unter dem Schlagwort der Kontextualisierung kommen aber heutzutage auch bibelkritische Ansätze daher. Hier wäre es dringend geboten darzustellen, was eine bibeltreue hg Kontextualisierung bedeutet und wie diese von der historisch-kritischen Kontextualisierung abzugrenzen ist. Bei seinem Versuch, die „emanzipatorischen Hermeneutiken“ und „den historisch-kritischen Ansatz“ zu skizzieren (vgl. S. 142-144), hat sich H. m. E. verhoben (vgl. auch die unbeholfenen Ausführungen auf S. 146 und 153). Ebenso hemdsärmelig sind die Aussagen zur Formanalyse (vgl. S. 170).
Fazit
Geschwister an ein methodisch bewusstes Bibelstudium heranzuführen und sich nicht mit dem bloßen Austausch über biblische Inhalte zufrieden zu geben ist eine sehr ehrenvolle Aufgabe. Dass der Autor seine Glaubensgeschwister behutsam an eine Theorie des Auslegens von Bibeltexten herangeführt und der hermeneutischen Kernfrage: „W i e liest du?“ (Lk 10, 26) mehr Raum verschafft hat, ist m. E. ausgesprochen verdienstvoll.
25.03.23 13:42 | Henrik
Die Bibel widerspruchsfrei lesen
Gibt es einen roten Faden, der sich in der Bibel erkennen lässt? Michael Hardt zeigt in „Heilsgeschichtlich denken“ auf, welche Faszination sich beim Bibellesen erkennen lässt, wenn man erkennt, dass Gott in unterschiedlichen Epochen auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Menschen handelt.
Wer ist der Autor?
Michael Hardt engagiert sich aktiv in seiner Heimatgemeinde und erklärt biblische Lehre auf der Plattform www.bibleteaching.de. Er steht für ein historisch-grammatisches Bibelverständnis, trennt zwischen Israel und der Gemeinde und erkennt aus der Bibel, dass der Herr Jesus bei seinem Zweiten Kommen in Macht und Herrlichkeit als König 1000 Jahre über diese Erde herrschen wird. Gemeindetechnisch ist er der Brüderbewegung zuzuordnen.
Worum geht es in dem Buch?
Dem Autor liegt es am Herzen, Bibellesern Gottes großen Plan mit der Menschheit vor Augen zu führen. Gleichzeitig soll dabei herausgearbeitet werden, was die Bibel selbst beinhaltet, denn es gilt „die Weisheit und Herrlichkeit zu erkennen, wie sie im Lauf der Heilsgeschichte ans Licht kam.“
Nach einer kurzen Einleitung nimmt Hardt zunächst die Vogelperspektive ein um danach einige Fragen zu beantworten. Kapitel vier stellt die heilsgeschichtlichen Epochen vor und geht dabei auf wiederkehrende Muster und mögliche Modifikationen ein, um danach die Relevanz für die praktische Bibellektüre darzulegen. „Das Wichtigste ist, dass man (wenigstens) folgende Einschnitte erkennt:
Das Kommen Christi (daraus ergibt sich die Unterteilung in Altes und Neues Testament)
Das Gesetz (daraus ergibt sich die Aufteilung in die Zeit vor und nach der Gesetzgebung)
Die Wiederkunft Christi (daraus ergibt sich die Abgrenzung zwischen der Zeit der Gnade und dem Friedensreich).
Wer diese Zäsuren verinnerlicht, hat schon ‚die halbe Miete‘ und kann die meisten Widersprüche auflösen, die durch Mangel an heilsgeschichtlichem Denken entstehen.“
Mit Kapitel sechs wird u. a. auf die Bundestheologie eingegangen, um danach zehn Bausteine vorzustellen, denn beim heilsgeschichtlichen Denken geht um mehr als bloße Epochen. Dies wird besonders in Kapitel 9 ausgeführt, denn die Zeit der Gnade stellt einen unvorstellbaren Reichtum dar. Abgerundet werden die Ausführungen dieses exegetischen Rahmens mit einem Bezug zur Herrlichkeit Gottes. „Gott hat im Laufe dieser Epochen und gerade durch deren Abfolge seine Herrlichkeit geoffenbart.“
Die fünf Anhänge thematisieren weitere „harte Nüsse“ in der heilsgeschichtlichen Debatte, geben Informationen zum Erscheinen des Herrn Jesus in Macht und Herrlichkeit und beleuchten weitere Hinweise auf den zukünftigen jüdischen Überrest.
Wer sollte das Buch lesen?
Zunächst einmal richtet sich der Autor an jene Leser, die Gottes Plan erkennen möchte und biblische Prophetie, Poesie und Briefinhalte miteinander verbinden möchte. Das müssen nicht zwangsläufig jüngere Gläubige sein. Des Weiteren eignet sich die Lektüre als Nachschlagewerk für Brüder im Verkündigungsdienst, um biblische Aussagen in ihrem heilsgeschichtlichen Kontext zu verorten. Als dritte Gruppe sind all jene angesprochen, die Interesse an Gottes Wort haben und Gottes Reden in unterschiedlichen Epochen erkennen und verstehen möchten. Hierbei sind besonders solche Geschwister angesprochen, denen dieser Ansatz fremd ist. „Heilsgeschichtliches Denken ist weder eine Spitzfindigkeit noch eine Detailfrage für Experten.“
Was gibt es Kritisches?
Obwohl das Buch anschaulich, allgemeinverständlich und sehr strukturiert ist, sind die typischen Grafiken, um Heilsgeschichte zu veranschaulichen, etwas zu klein geraten. Des Weiteren fehlt ein Lektüreverzeichnis, um sich tiefer in die Thematik einzuarbeiten. Zudem wäre ein Hinweis auf die Kingdom-Now-Theologie bedeutsam und auch die Transformationstheologie hätte zur Sprache kommen können.
Weshalb sollte man das Buch lesen?
„Heilsgeschichtliches Denken ist nicht so sehr eine Lehre als vielmehr ein Rahmen, der er erlaubt, die Bibel als ein harmonisches Ganzes zu verstehen.“ Und so zeigt der Autor auf, dass Heilsgeschichte der rote Faden ist, der sich durch die Bibel zieht. Dabei erfährt der Leser, wie Gott durch die Jahrhunderte hindurch gehandelt hat und handeln wird, um seinen Plan mit den Menschen zu erfüllen. Mithilfe dieses exegetischen Rahmens gelingt es dem Bibelleser, die Aussagen der Heiligen Schrift einzuordnen und zu verstehen, wie scheinbare Widersprüche sich auflösen und unsere Stellung in Christus gefestigt wird. Zudem werden die 66 Bücher der Bibel zu einem harmonischen Ganzen und die Herrlichkeit Gottes – als vereinendes Prinzip – wird erkannt.